2004 leuchtete der Stern von MARIANs JOY einmal sehr hell – und sehr kurz. Nach seinem Album Heaven, das einige veritable Dark-Electro-Preziosen bereithielt, tauchte der Frankfurter Gerald Ohl ebenso schnell wieder ab, wie er davor aufgetaucht war. Mit frischer Luft in den Backen ist der Mann hinter MARIANs JOY nun wieder da. Das neue Album Kill My Demon zeugt von schweren Zeiten, wie er im Interview mit VOLT darlegt.
19 Jahre sind eine stattliche Pause. Warum hast du 2004 nach Heaven aufgehört? Die Reaktionen auf das Album waren gerade in Dark-Electro-Kreisen vielversprechend …
Die Rezensionen in diversen Magazinen, heute zum Teil gar nicht mehr existent, waren durchweg positiv. Leider spiegelte sich das nicht in den Verkaufszahlen wider. Die waren und sind laut meinem damaligen Label COP International eher mies. Jedenfalls verdiente ich mit Heaven weniger als jetzt nach gut zwei Wochen auf Bandcamp mit dem neuen Album.
Der finanzielle Misserfolg war aber nicht der Grund für die Projektaufgabe. Ich hatte die Lust am Produzieren und am Alleingang verloren, deshalb wieder mehr mit anderen Leuten musiziert. Alles sehr experimentell mit viel Improvisation. Wollte niemand hören, hat aber Spaß gemacht.
Du hattest im Jahr 2020 eine Nahtod-Erfahrung. Hat dich das dazu bewogen, wieder mit Musik anzufangen?
Nahtod-Erfahrung klingt gut, ist aber in meinem Fall sicherlich etwas übertrieben. Ich hatte einen Schlaganfall. Konnte plötzlich nicht mehr deutlich reden – in etwa so wie nach ein paar Bierchen – und die Feinmotorik der rechten Hand war eingeschränkt. Lebensgefahr bestand aber nicht. Das Lallen verschwand nach etwa einer Woche. Die rechte Hand ist leider immer noch nicht so flexibel wie vorher. Das merke ich aber eigentlich nur beim Klavierspielen. Zigarette halten geht.
Mir wurde bewusst, dass ich viel Glück gehabt hatte, es von jetzt auf gleich vorbei sein kann und ich meine Zeit besser nutzen muss. Vor allen Dingen wollte und will ich musikalisch etwas hinterlassen. Und da meine Musik wieder ziemlich düster wurde – wohl auch wegen der Pandemie – habe ich MARIANs JOY wiederbelebt.
Deshalb der Albumtitel Kill My Demon? Bist du jetzt mit dir im Reinen und das Kapitel MARIANs JOY wieder geschlossen?
Nein, MARIANs JOY wird es weiterhin geben! Ich habe immer noch große Lust auf diese Musik und auch schon neue Tracks in der Mache. Die Bedeutung des Titels ist viel trivialer: Einen inneren Dämon haben wir alle. Meiner kann besonders fies werden. Manchmal würde ich ihm am liebsten den Hals umdrehen.
Auf dem Song Shine hört man erstmals eine Frauenstimme. Wie kam es zu dieser „Duett“-Situation?
Als ich an dem Song arbeitete, kam Lisa Gerrard zufällig vorbei. Sie fand ihn toll und wir haben spontan zusammen etwas eingesungen dazu ... In Wirklichkeit war es so: Ich produziere meistens zuerst die Musik, der Gesang kommt später dazu. Bei diesem Song war es auch so und ich hatte absolut keine Ahnung, was ich singen soll, also habe ich Samples ausprobiert. Jene beiden Frauenstimmen-Samples, die in dem Song zu hören sind, passen, wie ich finde, perfekt zur Musik. Und beim Text gehe ich davon aus, dass es sich um Fantasie-Sprache handelt. Ich kann nicht ausschließen, dass ich mich hier irre und der Text ganz und gar nicht zum Song passt. Das wäre wirklich sehr peinlich.
Du spielst grundsätzlich nicht live, warum eigentlich? Das würde deinen Bekanntheitsgrad deutlich erweitern …
Ich bin ein eher introvertierter Mensch und bekomme schon beim Gedanken daran, auf einer Bühne als Frontmann im Mittelpunkt zu stehen, Panik-Attacken. Wenn ich einen Sänger hätte, wäre das anders. Aber bis dato mache ich ja alles allein. Schon möglich, dass ich das Projekt irgendwann um einen Sänger und einen Gitarristen erweitere, dann könnte man auch über Gigs nachdenken.
Auch auf Social Media sucht man die Band vergebens! Willst du nicht bekannt werden?
Dann würde ich keine Interviews geben … Ich würde sagen, dass ein großer Bekanntheitsgrad für mich nicht unbedingt an erster Stelle steht. Ich bin in der glücklichen Lage, mit meiner Musik kein Geld verdienen zu müssen. Aber völlig unbeachtet möchte man ja auch nicht sein, deshalb bin ich immerhin auf YouTube und Bandcamp aktiv.
Social-Media-Kanäle bedürfen der regelmäßigen Pflege, was einen gewissen Zeitaufwand bedeutet. MARIANs JOY ist ein Solo-Projekt im wahrsten Sinne: Musik, Text, Produktion, Mastering, Artwork, Videos, Website neben einem Fulltime-Job! Was an Facebook zu kritisieren ist, ist hinlänglich bekannt. Deshalb mied ich dieses Medium bis heute. Aber mittlerweile ist auch mir klar, dass es ohne FB-Seite einfach nicht läuft. Ich denke gerade darüber nach, einen Account anzulegen …
Interview: Marc Urban