Bill Leeb „Model Kollapse“
Rezension
Album // Metropolis
Scheiß auf Weiterentwicklung, Innovation und Konzepte. Wenn Bill Leeb im Alleingang das macht, worauf er wirklich Bock hat, ist er noch viel fachkundiger und cooler als gedacht. Model Kollapse ist sein erstes Soloalbum – und das steckt die letzten seiner in Band-Konstellationen produzierten Werke, mit Ausnahme von Cyberaktif, locker in die Tasche.
Dabei hatten die Vorzeichen etwas in die Irre geführt. Postpunk-Sweety Shannon Hemmett bei der melodischen ersten Single Terror Forms als Gast im Background, eine Delerium-Referenz in der Tracklist und in der Albumankündigung die Rede von „modernem Darkwave“: Ja, Model Kollapse ist vielseitig und teildurchlässig für Kleinteile aus anderen Genres. Vor allem ist es aber das: ein ganz dickes Electro-Brett.
Warum sich dieser Eindruck direkt mit dem Album-Opener aufdrängt und dann nicht mehr verschwindet? Im Bass-Bereich hat sich die Vancouver-Legende massiv verstärkt. Statt mit dünnem Pluckern und fein gemischtem Klopfen zu langweilen, lässt Solo-Bill robuste Sequenzen laufen, sich satte Drums überschlagen, Sounds und Gitarren detonieren. Die ins Detail durchdacht wirkenden Songs stocken, beschleunigen, treiben auf weiten Flächen und öffnen sich zu herrlichen Refrains wie zu besten FLA-Zeiten. Bei so viel Dynamik geht ein Proto-EBM-Stück wie Neuromotive ebenso klar wie die Electro-Ballade Erosion Through Time.
Da Bill Leeb also in der Lage ist, ein überragendes Album wie Model Kollapse zu fabrizieren, stellt sich die Frage, wer oder was für die seit Jahren grassierende Saft- und Kraftlosigkeit bei Front Line Assembly und Noise Unit verantwortlich sein mag. (VJK)