Für die einen nicht Fisch, für die anderen nicht Fleisch. Was geht noch als Techno durch, wo wird EBM-Terrain betreten? Fragen, die sich Emad Dabiri nicht stellt. Denn es ist doch ganz einfach: Werden bretternde Sequenzen, hämmernde Beats und fiese Vocals korrekt angemischt, kann damit jeder Club aufgemischt werden. Und das macht der in Berlin lebende Kanadier mit iranischen Wurzeln regelmäßig. Zuletzt am Samstag, wo eine eher im Dark-Electro-Bereich heimische Meute vor der Bühne lauerte. VOLT traf SARIN beim Fourscher in Erfurt.
Du hier?
Ich habe mich gefreut, dass ich eingeladen wurde. Denn ich sehe gar nicht so viel von Deutschland. Ich glaube, ich habe bisher nur in Leipzig, Chemnitz und München gespielt. Und in Berlin natürlich, vor allem vor Corona.
Und dann änderte sich dein Leben?
Berlin hat sich verändert. Sehr. Die EBM-Post-Punk-Techno-Hybridszene war ja wirklich groß. Aber die Pandemie hat sie zerstört, es kam zur Verschiebung in Richtung kommerziellem Techno. Viele meiner Freunde und auch ich waren sehr erfolgreich vor Corona, es gab einen richtigen Hype. Dieses EBM-Revival in Berlin war einfach crazy. Daher wurden wir auch alle sehr oft gebucht. Jetzt ist die Szene zurück im Underground.
Auf der einen Seite ist das schlecht, weil wir nicht mehr so oft gebucht werden – damit bestreiten wir unseren Lebensunterhalt. In anderer Hinsicht ist es besser: Die ganzen Fake-Typen sind verschwunden. Diese trendigen Techno-Hipster und Poser. Die mit Passion sind treu geblieben. Ich glaube daher nicht, dass die Szene tot ist, sie ist nur zum Normalzustand zurückgekehrt. Techno sollte niemals Mainstream sein.
„Die Szene ist nicht tot, nur zum Normalzustand zurückgekehrt.“
Was verbindet dich mit EBM?
Als ich in Toronto aufwuchs, bin ich Anfang der 2000er-Jahre viel in Goth- und Industrial-Clubs gegangen. Dort lief nur EBM, kein Techno. Ich war auch nicht an Techno interessiert als ich jünger war. Aber wenn man in Berlin lebt, wird man von der Szene verführt, von dieser ganzen verrückten Welt. Heute hier bei Fourscher in Erfurt zu sein fühlt sich an wie ein Flashback.
Schiss gehabt, vor einem alteingesessenen Publikum zu spielen, das dich teilweise gar nicht kennt?
Ein bisschen vielleicht. Ich bin auch einfach vertrauter mit der Technoszene. Und da sind alle so drauf, dass sie eigentlich keine Ahnung haben, was abgeht. Da kann man keinen Fehler machen, solange die Kick-Drum ballert. Hier ist das eine viel ernstere Angelegenheit. Die Oldschool-EBM-Typen mit dem entsprechenden Haarschnitt trinken einfach nur sehr viel Alkohol, viel Bier.
„Man kann keinen Fehler machen, solange die Kick-Drum ballert.“
Warum hast du so lange für das neue SARIN-Material gebraucht?
Ich war einfach deprimiert. Corona und Familienangelegenheiten haben mich echt runtergezogen, da komme ich gerade erst wieder raus, mache das SARIN-Album fertig. Zum Glück habe ich so enge Freunde wie William Maybelline [Qual, General Dynamics] und Matt Cangiano [Human Performance Lab], die mich auffangen und ermutigen.
Das neue Album mit Human Performance Lab ist gerade erst rausgekommen, das zweite für General Dynamics so gut wie fertig. Mit Kris Baha und Templer mache ich gerade auch je ein Album. Das wird alles im nächsten Frühjahr erscheinen.