REZENSION

Ritual Howls „Rendered Armor“

Ritual Howls „Rendered Armor“

Rezension

Album // Felte

Von John Wayne über Clint Eastwood bis hin zu Quentin Tarantino reicht die lange Liste der prominenten Namen, die ein Filmgenre prägten, das gern belächelt und oft parodiert wird, das aber einfach nicht totzukriegen ist: der Western. Dank Videospielen wie Gun, Call Of Juarez und Red Dead Redemption werden heutzutage selbst Couch-Potatos zu Revolverhelden – zumindest in virtueller Hinsicht. Immerhin. Doch welchen Einfluss hat das Western-Genre auf die Musik und umgekehrt?

Im Westen nichts Neues

Insbesondere dem deutschen Ableger der Western- und Country-Musik haftet etwas Verstaubtes und Unauthentisches an. Vorbildern wie Johnny Cash wird hierzulande eher schlecht als recht nachgeeifert. Mit inszenierten The-Boss-Hoss-Marotten, piefiger Schlager-Flachware und unwürdiger Kleine-Leute-Lyrik à la Truck Stop und Gunter Gabriel. Das Gelbe vom Ei ist das nicht.

Besser machen es seit jeher die Italiener. Sergio Leone, der wichtigste Regisseur des sogenannten Italowesterns, eines Filmgenres, das in den 1960er-Jahren entstand, erkannte früh, dass es nicht damit getan war, dem zahlenden Publikum wortkarge, gewalttätige Antihelden und schießwütige Pistoleros vorzuführen. Ihm war klar: Das Genre lebt mindestens genauso sehr von den Klängen, die dem Geschehen Atmosphäre verleihen. Die Soundtracks, die Ennio Morricone einst für Leones Klassiker Spiel mir das Lied vom Tod und Zwei glorreiche Halunken komponierte, sind zeitlos und tief im kollektiven Gedächtnis des Westens im weiteren Sinne verankert. Tarantino griff für seinen Neo-Western Django Unchained noch 2012 auf Morricones Dienste zurück.

Auch Ritual Howls, ein Trio aus Detroit (USA), nutzt das für das Genre typische Verwegene, Rauhe und Dreckige für seine Musik. Inspiriert von Morricones Klangwelten veröffentlichte die Band zwischen 2012 und 2016 drei Alben. Ihr Sound, der zunächst wie aus der Zeit gefallen klang, erwies sich schon bald als zeitlos gut. Spaghettiwestern-Industrial nannten manche das Ergebnis.

Das Lied vom Tod lebt

Ob dieses Kunstwort zeitgenössischen Anforderungen an vermeintlich politisch korrekte Sprache gerecht wird, ist ungewiss, despektierlich gemeint ist es keinesfalls. Vielmehr handelt es sich um eine Formulierung, die überaus treffend umschreibt, was die Musik von Ritual Howls so einzigartig macht. Paul Bancells tiefer, mitunter bedrohlich hallender Gesang beschwört im Zusammenspiel mit pulsierenden Bassläufen, repetitivem elektronischen Schlagwerk, Twang-Gitarre und Synthesizer einen düsteren Country-Goth-Sound herauf, der das Alleinstellungsmerkmal seiner Band ist.

Weniger sperrig, aber nicht weniger melancholisch als frühere Alben klingt das neueste Werk von Ritual Howls. Beim Hören erscheinen vor dem inneren Auge Bilder einer sengenden Sonne, die auf eine rauhe, menschenleere Ödnis herabstrahlt. Bilder von stacheligen Kakteen, hinterhältigen Hyänen und giftigen Klapperschlangen. Das Eröffnungsstück Alone Together ist die ideale Begleitmusik für einen einsamen Ritt durch die mexikanische Sonora-Wüste.

Ritual Howls profitieren von der ungebrochenen Faszination für das scheinbar Ursprüngliche und Unvergängliche. Wahrscheinlich um diese zu bewahren, setzen Paul Bancell, Ben Saginaw und Chris Samuels nicht nur musikalisch, sondern auch organisatorisch auf Kontinuität. Rendered Armor, ihr viertes Album, erscheint wie schon die beiden Vorgänger Turkish Leather und Into The Water bei Felte Records. (Kai Reinbold)



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