REZENSION

Lebanon Hanover „Let Them Be Alien“

Lebanon Hanover „Let Them Be Alien“

Rezension

Album // Fabrika

In der U-Bahn, im Zoo, in der Fußgängerzone: sie sind überall! Draußen vor der Tür wimmelt es nur so von Verrückten. Wie es dazu kommen konnte, dafür haben auch Lebanon Hanover keine Erklärung. Ihre musikalische Reaktion darauf ist eine Mischung aus Resignation und intelligentem Spott. Dabei bewahren sich die beiden eine gelassene, beinahe stoische Haltung, die ihresgleichen sucht.

Das erfolgreiche Post-Punk-Duo ist die musikalische Stimme einer kritischen und tendenziell introvertierten Minderheit, die das Wissen oder zumindest das diffuse Gefühl eint, dass in Gesellschaft, Kunst und Musik viel zu oft den Falschen eine Bühne geboten wird. Traurig, aber wahr.

Scrollst du noch oder liest du schon?

Wo immer häufiger narzisstisch motivierte Blender und groteske Selbstdarsteller den Ton angeben, um ihr kaum vorhandenes Talent und ihre offen zur Schau getragene Dummheit mittels Lautstärke zu kompensieren, bleiben die Stimmen jener, die wirklich etwas mitzuteilen haben, meistens ungehört. Lebanon Hanover begegnen dieser unheilvollen Tendenz mit düsteren, in sich gekehrten Songs, wie sie Joy Division und The Cure nicht besser hätten schreiben können.

Lieder wie das Alien genannte Eröffnungsstück, Ebenholz und Du scrollst entlarven falsche Werte mittels leisem Spott und teils unverhohlener Verachtung. Dinge zu tun, die einem völlig widerstreben, inhaltsleeren Smalltalk zu führen, obwohl man keinerlei Bedürfnis danach verspürt – oder gar seine Individualität den Vorstellungen anderer Menschen unterzuordnen, nur um irgendwo dazuzugehören – dass William und Larissa damit nichts anfangen können, wird jedem klar, der sich mit ihren Texten beschäftigt, die das Abseitige, Wunderliche und Bizarre betonen, das dem Außenseitertum seit jeher inhärent ist.

Was im ersten Moment wie pessimistische Schwarzmalerei klingt, ist in Wirklichkeit das Gegenteil davon. Let Them Be Alien klingt wie ein Aufruf zu passivem Widerstand. So, als wollten Lebanon Hanover ihre Zuhörer ermutigen: Verschwendet nicht eure wertvolle Zeit! Macht euch bewusst, was wirklich wichtig ist – und lasst die Idioten so bleiben, wie sie sind. Dann habt ihr wenigstens eure Ruhe. Sadness is rebellion!(Kai Reinbold)