REZENSION

Glaring „Decay“

Glaring „Decay“

Rezension

Album // Squall Recordings

Ja, ist denn schon wieder Herbst? Wohl kaum, doch wer dieses Album hört, der dürfte sich im ersten Moment in etwa so fühlen wie im tiefsten November. Ihrem am letzten Julitag veröffentlichten Album Decay verpasste Anna Nin soeben ein Update. Decay von Glaring gibt’s jetzt auch als limitierte Kassette – und das ist wirklich erfreulich.

Vinyl-Boom hin oder her: Die einst so beliebte Kompaktkassette ist und bleibt das Mauerblümchen unter den wiedererstarkten analogen Tonträgerformaten – und das, obwohl sich das 1963 erfundene, in einem praktischen Plastikgehäuse eingesponnene Tonband im letzten Jahrzehnt des vergangenen Jahrtausends zumindest kurzzeitig berechtigte Hoffnungen machte, es nachhaltig mit Schallplatten und Compact Discs aufnehmen zu können.

Was dann folgte, ist bekannt: digitale Audiodateien, legale und illegale Tauschbörsen sowie allerlei Streamingdienste verdrängten die handelsüblichen Tonträger mehr und mehr vom Markt und machten vor allem der Musikkassette beinahe den Garaus. Allenfalls Kinder und Nostalgiker erfreuten sich hier und da noch an dem ein oder anderen Hörspiel im Kunststoffkastenformat.

Völlig verschwunden ist die Kassette trotzdem noch nicht – und sie bietet einen entscheidenden Vorteil: Das Medium lässt sich nicht bequem aus der Ferne steuern, es verfügt über keine Skip-Funktion, die es den Hörern ermöglicht, schnell von einem Titel zum nächsten zu springen. Kassetten zu hören, erfordert Geduld. Und das kommt Glarings Decay zugute. Das zunächst so finster und kalt wirkende, von Einflüssen aus Dream Pop und diversen mit Dark-Präfix versehenen Ambient- und Wave-Genres inspirierte Album entfaltet mit fortschreitender Spieldauer eine tiefgründige Sogwirkung, die sich nur bei genauem Zuhören erschließt.

Anna Nins Stimme, die weit mehr ist als ein bedrohlich wirkendes Flüstern in der Nacht, trägt ebenso dazu bei wie in den sich flächenartig ausbreitenden Klangstrukturen verborgene, subtil wirkende Synthie-Hooks – die daraus resultierende Wechselwirkung ist durchaus geeignet, tranceähnliche Zustände zu evozieren. Einziger Wermutstropfen: Die via Bandcamp erhältliche Kassettenauflage ist auf gerade mal 20 Stück limitiert und mit Sicherheit bald vergriffen. Man kann zwar nicht alles haben im Leben, aber einen Versuch ists allemal wert. (Kai Reinbold)




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