REZENSION

Chrome Corpse „Anything That Moves“

Chrome Corpse „Anything That Moves“

Rezension

Album // e-picenter

Es gibt Platten, die lösen etwas aus. Weil sie einen ganz bestimmten Nerv treffen, weil sie etwas im Kopf passieren lassen oder weil sie Kommandos an bestimmte Muskeln aussenden. Platten, die in gewisser Hinsicht gefügig machen. Das Debütalbum von Chrome Corpse ist womöglich ein solcher Kandidat.

Feststellung eins: Diese Musik haben vier Typen gemacht, die allesamt und zum Teil deutlich unter 30 Jahre alt sind. Feststellung zwei: Es handelt sich dabei zunächst um puristische Electronic Body Music. Verdacht: Hier steckt noch deutlich mehr drin.

Spurensuche: Chrome Corpse wurde 2011 von Michael F „Ninethousand“ und Peter „Fracture“ Jobson gegründet, Schulkumpels aus Seattle, Washington. Anfangs produzierten sie düster-ambienten Noise und Soundtracks für Indie-Horror-Filme. Mit Einflüssen aus EBM, Industrial und Minimal änderte sich die stilistische Ausrichtung des noch als Duo agierenden Projekts: Drones und Flächen wichen tanzbaren Rhythmen und einer aggressiven Funkyness. 2016 stießen der Franzose Tony Hirnsturm als Sänger und Jimmy Shogren (Drums) zu Chrome Corpse und die ersten Platten wurden aufgenommen.

Wer „Hu!“ sagt, muss auch „Ha!“ sagen

Soweit nichts Ungewöhnliches. Auch die ersten Releases, von denen die bei Razgrom erschienene Bodyhammers-Compilation (2018) die bekannteste ist, ließen noch nicht gänzlich erahnen, welche Talente in diesen Burschen schlummern. Das ändert sich mit Anything The Moves, einer ausgewachsenen EBM-Manifestation ganz alter Schule. Chrome Corpse gelang, was viele junge Acts versuchen, woran sie letztlich aber oftmals scheitern: Etwas Eigenständiges auf altgediente Wurzeln zu stellen.
Diese reichen bei Chrome Corpse ganz offenkundig und in erster Linie zurück in die Achtziger, zu Front 242 und Portion Control, in Ansätzen mutmaßlich auch zu Paranoid, Nitzer Ebb und frühen Revolting Cocks. Der Sound klingt analog, roh produziert und ist abartig treibend. Viel funktioniert hier über die Verbindung von Sequenzen, geraden Takten, Auf-die-Fresse-Drums und einer Mischung aus Shouts, Second Voices und klassischem Gesang. So ähnlich verfuhren High Functioning Flesh, bevor sie eine Spur zu poppig wurden. Die Breaks sitzen an den richtigen Stellen, für stilistische Vielfalt wird sogar innerhalb einzelner Song gesorgt, die BPM-Zahlen marschieren um 120. Obwohl es sich um eine Studioproduktion handelt, wirken viele Tracks spontan, fast wie live oder in einem Take eingespielt.

Take one, take one!

Hirnsturm brüllt „Come on!“, „Hu-ha!“, „Wooo!“, „Let’s Go!“ und „Move!“ – wobei dies eigentlich gar nicht nötig wäre: Firing Rate, Megatank, Darkened Bodies oder Brutal Anxiety sind so mitreißend, dass sich „in Ruhe hören“ völlig ausschließt. Anything that moves? Steckt hier drin, und das steckt an. Aggressiva? Kann passieren. Ganz großer Wurf? It’s up to you to decide.


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